Eigene Sehne statt gefährlichem Kunststoffnetz: Chefärztin Dr. Anna Kubiak operiert Frauen mit Gebärmuttersenkung minimal-invasiv und mit körpereigenem Sehnengewebe.
Die 66-jährige Barbara Peilert aus Essen hat lange Jahre als Altenpflegerin gearbeitet. Schwere körperliche Arbeit, die ihre Spuren hinterlassen hat. Dass sie heute fit und aktiv ihren Ruhestand genießen kann, war noch vor wenigen Monaten undenkbar für sie, denn sie hatte einen langen Leidensweg hinter sich.
Wie rund 40 Prozent aller Frauen ihres Alters litt Barbara Peilert an einer Beckenbodenschwäche. Bereits seit 2019 plagten sie die typischen Beschwerden: ein Fremdkörpergefühl in der Scheide, starke Schmerzen, ständige Entzündungen und Probleme beim Wasserlassen. Sie suchte Rat bei ihrer Frauenärztin und auch bei einer spezialisierten urogynäkologischen Praxis. Der Befund: Deszensus uteri, zu Deutsch: Gebärmuttersenkung.
Ihr wurde eine so genannte Pessartherapie verschrieben: Ein Würfel, der in die Scheide eingeführt wird und durch den die abgesenkten Organe wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückgebracht werden. Das verschaffte Barbara Peilert jedoch nur kurzfristig Linderung: Die Beschwerden nahmen weiter zu und ihre Verzweiflung wuchs. „Das war kein Leben mehr. Ich hatte täglich Schmerzen, konnte meine Enkel nicht tragen, keinen Sport mehr machen.“
Fixierung der abgesenkten Organe durch Oberschenkelsehne
Sie recherchierte im Internet und fand Informationen über eine neue Operationsmethode, die am DGD Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt etabliert wurde. „Wir beheben die Senkung mit körpereigenem Sehnengewebe“, erklärt Dr. Anna Kubiak, Chefärztin der operativen Gynäkologie am DGD Krankenhaus Sachsenhausen und Spezialistin für minimal-invasives Operieren. Doch warum eine Sehne – und nicht das Kunststoff-Netz, das häufig eingesetzt wird? „Weil das Netz Nachteile haben kann“, verdeutlicht Kubiak. So wachse es beispielsweise schnell in das umwachsende Gewebe ein. „Kommt es später eventuell zu Komplikationen, kann das Netz häufig nicht problemlos entfernt werden.“ Diese Gefahr besteht bei der Sehnen-OP nicht.
Und wie läuft die Operation ab? „Die Sehne wird aus dem Oberschenkel der Patientin entnommen. Aber keine Angst – dazu braucht es nur einen winzigen Schnitt neben der Kniekehle“, sagt die Ärztin. Die Sehne wird übrigens meistens nur zur Hälfte entnommen – mehr Material ist für die innovative OP nicht notwendig. „Und der entnommene Teil wächst auch wieder nach“, so Kubiak.
Die entnommene Sehne „bringen wir laparoskopisch, das heißt per Schlüsselloch-Technik, in den Bauchraum ein. Dann hängen wir die abgesenkten Organe mit der Sehne an einem festen Band vor der Wirbelsäule oder am Becken auf und kommen so ganz ohne Fremdmaterial und ohne große Schnitte aus.“ Das Gute: Dr. Anna Kubiak ist ausgewiesene Spezialistin für diese minimal-invasiven Eingriffe, verfügt über das entsprechende MIC III-Zertifikat als eine von nur 16 Operateurinnen bundesweit.
Nach einer ausführlichen Untersuchung und Beratung im Februar 2024 entschied sich Barbara Peilert für diese Methode: „Ich fühlte mich sehr gut beraten und hatte sofort ein positives Gefühl.“ Nur vier Monate später reiste sie erneut nach Frankfurt und ließ sich von Chefärztin Dr. Anna Kubiak operieren. Das Ergebnis: „Direkt nach der Operation wollte ich die ganze Welt umarmen“, sagt Barbara Peilert heute. Sie habe sofort Erleichterung verspürt und direkt nach der Operation ein Aha-Erlebnis gehabt: Wasserlassen klappte plötzlich wieder wie früher und die Schmerzen direkt nach der Operation waren absolut auszuhalten.
Drei Monate nach der Operation ist Barbara Peilert zur Nachsorge wieder nach Frankfurt ins DGD Krankenhaus Sachsenhausen gereist. Dr. Anna Kubiak und ihr Team sind mit dem OP-Ergebnis sehr zufrieden und das Wichtigste: Barbara Peilert ist es auch. Sie ist so glücklich, dass sie den Mut gefasst hat, über ihren Weg zu sprechen, damit mehr Frauen von dieser OP-Methode erfahren: „Wenn man im Bekanntenkreis fragt, sind so viele Frauen betroffen, aber niemand spricht darüber. Dabei geht es doch auch um Organe wie beim Herz. Da holt man sich ja auch Hilfe“, sagt Barbara Peilert. „Für mich hat mein Leben neu angefangen. Das ist eine ganz andere Lebensqualität“, erklärt sie freudestrahlend. Endlich kann sie ihren Ruhestand aktiv genießen, wieder walken und schwimmen gehen.
Alternative Operationsmethoden je nach Befund
Ist die Sehnenoperation für alle Patientinnen mit Senkungsbeschwerden geeignet? „Das kommt auf den individuellen Befund an“, sagt Dr. Anna Kubiak. „In der Beckenbodenchirurgie ist weniger oft mehr“, erklärt die erfahrene Gynäkologin. Je nach Diagnose und Alter der Patientinnen kämen auch andere Methoden in Betracht, wie zum Beispiel eine Korrektur der Senkung durch eine mini-minimal-invasive Fadenfixierung, die so genannte „Unilaterale Pectineale Suspension“ (UPS). Zudem könne man die Scheidenwände raffen, sodass sie wieder enger und stärker werden (Scheidenplastiken).